Dresden: Bundesparteitage der SPD haben Liesel Koschorreck und Dietmar Nietan in den letzten Jahren viele miterlebt, kaum weniger Parteivorsitzende kommen und wieder gehen sehen.
Immer war von Aufbruchstimmung die Rede. Auch diesmal. Und doch hatten die drei Tage von Dresden für die beiden Delegierten des Unterbezirks Düren eine «besondere Qualität. Der Berliner Parlamentarier sprach angesichts der völlig neuen Diskussionskultur sogar von einem historischen Parteitag, auf dem der Grundstein für eine neue SPD gelegt und nicht wie früher in einem bestehenden Parteigebäude nur ein Fenster zugenagelt wurde.
Siegmar Gabriel hat mit dem richtigen Ton das Herz der Partei getroffen, erklärt die Landtagsab-geordnete den Unterschied zu früheren Wechseln an der Spitze der Partei. Man nimmt ihm einfach ab, dass er die Basis mitnehmen will, schildert die Birkesdorferin ihren Eindruck der Abkehr von der Basta-Politik früherer Jahre. Bis zum nächsten Parteitag in zwölf Monaten soll jetzt an der Basis unter der Überschrift Politik als Werkstatt über die neuen Parteilinien diskutiert werden.
Es wäre doch fatal gewesen, wenn jetzt schon wieder von oben herab gesagt worden wäre, wo es hingehen soll, kommentiert Nietan die ersten noch offenen Beschlüsse zur künftigen Ausrichtung der Partei und zur Reform der Hartz-IV-Gesetzgebung, die nicht mehr als «Leitplanken» sein sollen. An der Basis sollte diese Rückbesinnung auf eine gute demokratische Tradition auf Beifall stoßen. Natürlich, sagt Eduard Müllejans, ein Urgestein der Kommunalpolitik in Nideggen, wenn den Lippenbekenntnissen denn auch wirklich Taten folgen. Seit 40 Jahren ist der 69-Jährige Sozialdemokrat, seit 1972 sitzt er im Stadtrat. In den vergangenen Jahren habe ich mich in dieser Partei nicht mehr zuhause gefühlt, gibt der Schmidter offen zu. Die Meinung der Basis kam viel zu kurz. Das hat uns in Nordrhein-Westfalen die Wahl gekostet und uns im Bund ebenfalls abstürzen lassen, analysiert Müllejans. Und er schiebt hinterher: Dass es so gekommen ist, darüber war ich gar nicht mal so unglücklich. In der Opposition hat die SPD die Chance, sich darauf zurückzubesinnen, was sie einmal stark gemacht hat: das Ohr direkt an den Menschen zu haben. Wenn wir da mit Gabriel, Nahles & Co. wieder hinkommen, kann ich nur sagen: Bravo, SPD!
Und wie urteilt ein junger Genosse, der noch voller Enthusiasmus für sozialdemokratische Politik ist? Ich hoffe und glaube, dass sich mit der verjüngten SPD-Spitze auch die Denkweise verändern wird, sagt Christopher Forst, der jüngst zum Vorsitzenden der Jusos im Kreis Düren gewählt wurde. Die auf dem Parteitag gefassten Grundsatzbeschlüsse, darunter einer der Jusos zur Vermögenssteuer, hält er für einen Schritt in die richtige Richtung. Dass allerdings tatsächlich künftig die Parteibasis mehr Einfluss erhält, daran glaubt Forst noch nicht: Schon an der Basis lassen sich nur schwer neue Ideen gegen die Leute durchsetzen, die seit Jahren oder Jahrzehnten die Posten besetzen. Deshalb wird sich in dieser Hinsicht wohl nicht von heute auf morgen alles zum Guten wenden.