Dietmar Nietan sieht Rheinisches Revier noch nicht optimal aufgestellt. Zentrale Agentur statt Erbhöfe.
Die Zeit verrinnt. Vor gut fünf Wochen hat die „Kohlekommission“ ihren Abschlussbericht vorgelegt und den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung spätestens im Jahr 2038 vorgeschlagen. Das ist aber nur eine von zwei Zeitschienen. Erheblich früher – nämlich schon bis 2022 – sollen in einem ersten Schritt Kapazitäten von drei Gigawatt in Kraftwerken abgebaut werden. „Das geht nur über Hambach. Der Tagebau mit den Kraftwerken, die er versorgt, ist das Zentrum eines strukturpolitischen Erdbebens“, sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Dietmar Nietan, den derzeit einige Sorgen umtreiben. Weil: „Die meisten RWE-Beschäftigten leben in Niederzier, Düren, Bergheim und Bedburg.“ Das Epizentrum liegt demnach im Osten des Kreises Düren.
In drei Jahren schon „stehen wir hier vor dramatischen Herausforderungen“, übersetzt der Bundesschatzmeister seiner Partei aus Düren die unmittelbaren Folgen des Abschlussberichts, die bereits in etwa zwei Monaten deutlich sichtbar werden. Dann nämlich werde das Bundeskabinett in Berlin die Ergebnisse des Kommissionsberichts „in Gesetze gießen“ und auch schon Mittel in erheblicher Höhe einsetzen und Bedingungen definieren, wie denn wer an dieses Geld kommen kann. Genau hier sieht er das Rheinische Revier bei weitem noch nicht gut genug aufgestellt. Oder anders ausgedrückt: Dietmar Nietan befürchtet, dass wichtige und notwendige Fördergelder an den eigentlich betroffenen Strukturwandel-Kommunen vorbeifließen könnten.
Deshalb lautet seine Forderung, die er mit dem SPD-Landesvorsitzenden Sebastian Hartmann und Marc Herter, parlamentarischer Geschäftsführer der Landtagsfraktion, in einem Positionspapier formuliert hat: Die Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR) in Jülich müsse für das gesamte Revier die zentrale Schaltstelle werden, wenn es um die Prüfung von Strukturwandelprojekten geht. „Wir sind eine Region, ein Revier im Wandel, und brauchen eine Agentur, die das begleitet“, sagt der Dürener, der in der Kreispartei Beauftragter für den Strukturwandel ist. Andernfalls bewerben sich aus dem Rheinland mehrere Institutionen und Interessenverbände stellvertretend für ihre Mitgliedskommunen um die Fördergelder und stehen in direkter Konkurrenz zueinander: also zum Beispiel die Metropolregion Rheinland, der Verein Köln-Bonn oder der Zweckverband Aachen.
„Eine Agentur für alle“ hätte den weiteren Charme, dass die aufgrund der großen Zeitnot überforderten Kommunen laut Nietan zum Beispiel auf Planungsbüros zurückgreifen könnten, die von der ZRR engagiert wurden. Und Planungskapazitäten sind in Zeiten eines Baubooms ebenso kostspielig wie kostbar. Der Strukturwandel ist von solider Planung aber auf Gedeih und Verderb abhängig.
„Wo plane ich Flächen für welche Zwecke?“, ist laut Nietan eine weitere grundlegende Aufgabe. „Wir haben auch im Kommissionsbericht eine lange Liste mit Projekten aus NRW, da sind supergute dabei, auch in Jülich, Düren und Aldenhoven.“ Eine zentrale Forderung der Sozialdemokraten besteht daher in der kurzfristigen Aufstellung eines Strukturentwicklungskonzeptes. Übersetzt: eine ordnende Hand, die viele Ideen sortiert und verortet, um zu identifizieren, wo die Fördergelder die größte Wirkung entfalten.
„Im Moment ist mein Eindruck, dass an manchen Stellen herumgeeiert wird, weil man sonst Erbhöfe aufgeben müsste“, sagt Nietan mit Blick auf Rat- und Kreishäuser, die der eigentlichen Braunkohleregion geographisch fern liegen. Der Dürener Bundestagsabgeordnete hofft nun schon mal auf eine Linie in seiner Partei. Das Positionspapier wird am Samstag im Landesvorstand diskutiert und bestenfalls beschlossen. Dazu müssen dann auch die Genossen aus dem Ruhrgebiet ihre Hand heben.
Quelle: Dürener Zeitung vom 08.03.2019 – Volker Uerlings
Beitragsfoto: Jörg Abels