Zehra Celik kann sich durchaus vorstellen, sich eines Tages in der Kommunalpolitik zu engagieren. Die 15-jährige besucht die 10. Klasse des Burgau-Gymnasium und ist eine von 13 Jugendlichen aus der Rurstadt, die rund zwei Monate Kommunalpolitiker bei ihrer Arbeit begleiten.
„KidS“ – also „Kommunalpolitik in der Schule“ heißt das Projekt, dass die stellvertretende Bürgermeisterin und Stadträtin Liesel Koschorreck (SPD) in Düren initiiert hat. Am 6. November hat die Initiative begonnen, gerade ist Halbzeit und die Jugendlichen starten in die zweite Hälfte des Projektes mit einem anderen Politiker. Anlass genug, für Zehra Celik, Philipp Derchain (16, ebenfalls vom Burgau-Gymnasium) und Julius Stockheim (15, Stiftisches Gymnasium), eine erste Bilanz zu ziehen.
„Mir ist immer wieder aufgefallen“, sagt Liesel Koschorreck, „dass ich bei Wahlkampfterminen kaum Jugendliche getroffen habe. Aber man darf mit 16 Jahren schon bei der Kommunalwahl seine Stimme abgeben. Deswegen wollte ich jungen Leuten die Möglichkeit geben, sich über die Politik in ihrer Stadt zu informieren.“
Dass sich bei einer Stadt mit fünf Gymnasien und der Möglichkeit für alle Zehntklässler, sich an den Projekt zu beteiligen, gerade einmal 13 Jungen und Mädchen gemeldet haben, ist für Koschorreck kein Zeichen für mangelndes Interesse, im Gegenteil: „Das Projekt ist total neu und in Düren noch völlig unbekannt.
Dass da sofort 13 Jugendliche mitmachen wollten, werte ich als großen Erfolg. Auch, weil die Projektteilnahme ja komplett in der Freizeit der Schüler stattfindet. Wünschen würde ich mir dagegen, dass mehr Ratspolitiker sich für ‚KidS’ engagieren.“ Von den 50 Stadträten sind ebenfalls 13 mit von der Partie. Sie nehmen die Jugendlichen mit zu Terminen, zu Fraktionssitzungen, Ausschüssen und auch mit zur Ratssitzung.
„Kommunalpolitik“, erklärt Philipp Derchain, warum er sich an dem Projekt beteiligt, „ist etwas, das im Schulunterricht so gut wie gar nicht stattfindet. Und viele Abläufe waren mir bisher völlig unbekannt. Ich hatte zum Beispiel keine Vorstellung davon, was alles passieren muss, damit ein Zebrastreifen verlegt wird. Das fand ich schon sehr interessant.“
Mit welchen Kommunalpolitikern die Jugendlichen unterwegs sind, wurde ausgelost. Philipp begleitet in der zweiten Projekthälfte Liesel Koschorreck, vorher war er mit Carmen Heller-Macheray (Bündnis 90/Die Grünen) unterwegs. Zehra Celik ist jetzt die Praktikantin von Heller-Macheray und hat bislang Thomas Floßdorf (CDU) begleitet. Julius Stockheims Paten sind Peter Koschorreck (SPD) und Paskal Laskaris (CDU).
Der 15-jährige Stiftschüler war mit Koschorreck bei diversen Sitzungen, hat den Sozialdemokraten aber beispielsweise auch bei einem Besuch der Wohntürme am Miesheimer Weg begleitet und sich dort die Situation angesehen. „Meine Perspektive hat das durchaus erweitert“, sagt er. „Ich habe Dinge kennengelernt, die neu für mich sind.“ Auch die diversen Sitzungen fand der Schüler durchaus spannend. „Wenn man das erste Mal in einer Fraktionssitzung sitzt, hat man anfangs schon Schwierigkeiten, überhaupt zu verstehen, worum es geht. Aber man findet sich schnell rein, und dann ist es alles andere als langweilig.“
„Es geht ja auch um die eigene Stadt“, ergänzt Zhera. „Da ist es doch wichtig, dass man sich mit der Kommunalpolitik identifizieren kann.“ Philipp nennt noch einen anderen Aspekt: „Kommunalpolitiker sind direkt an den Bürgern dran. Sie müssen für die Menschen da sein. Das ist auch ein großes Stück Verantwortung.“
Engagement
Liesel Koschorreck lobt ausdrücklich das Engagement der jungen Leute. „Die Schüler waren enorm wissbegierig und sehr interessiert. Das hat mir gefallen. Ich fand es aber erschreckend, dass eigentlich keiner einen der Dürener Kommunalpolitiker kannte. Auch nicht die Abgeordneten aus ihrem Stadtteil. Daran müssen wir unbedingt arbeiten.“
Koschorreck wünscht sich einen intensiveren Austausch mit den Schulen und kann sich auch vorstellen, mit Ratskollegen regelmäßig die weiterführenden Schulen in Düren zu besuchen. „Dabei geht es in keiner Weise darum, Wahlkampf zu machen. Im Gegenteil: Es geht darum, Jugendliche für Kommunalpolitik zu begeistern.“
Auch Carina Salentin vom städtischen Jugendamt hofft, dass ‚KidS’ ein nachhaltiges Projekt ist. „Jugendpartizipation“, sagt sie, „ist ein wichtiges Thema, das wir auch noch mehr mit Leben füllen wollen.“ Wie genau das gelingen kann, will Salentin noch nicht sagen. „Da gibt es viele Möglichkeiten und auch schon viele Ideen. Wir möchten aber nach Ende des Projektes die Jugendlichen fragen, welche Vorstellungen sie in diesem Punkt haben. Es macht keinen Sinn, so etwas an den Jugendlichen vorbei zu organisieren.“
Julius, Zehra und Philipp starten jetzt erst einmal in die zweite Projekthälfte. Und wer weiß: Vielleicht ist Kommunalpolitik ja wirklich irgendwann ein neues Hobby der jungen Leute.
aus Dürener Nachrichten vom 07.12.2019 – Bericht und Foto von Sandra Kinkel