Kurt Beck, der SPD-Parteivorsitzende mit einem Brief an die Bürgerinnen und Bürger

27. April 2007 von Cem Timirci 
Kurt  Beck im Gespräch mit dem Bürger

Sowohl junge Leuten, deren Berufseinstieg blockiert ist, als auch ältere Arbeitnehmer, die viel zu früh ausgegrenzt werden, sagen: "Ich kann und will etwas leisten, aber man gibt mir keine Chance." Die zentrale Frage ist, wie lange eine Gesellschaft es ohne Schaden aushält, wenn ein Kernversprechen der sozialen Marktwirtschaft, Sicherheit und Aufstieg durch Arbeitsleistung zu bieten, immer wieder gebrochen wird. Leistung muss sich in einer gerechten Gesellschaft gerade für diejenigen Menschen lohnen, die nicht auf einem breiten Kapitalpolster sitzen. Arbeitsleistung muss anerkannt und gerecht entlohnt werden.

Während der Wohlstand in Deutschland stark wächst, arbeiten viele Menschen für Löhne, von denen sie nicht leben können. Das ist unsozial und ungerecht. 2,5 Millionen Vollzeitbeschäftigte beziehen Armutslöhne, die weniger als Hälfte des Durchschnittseinkommens betragen. Dumpinglöhne schwächen auch die Unternehmen, die sich an der Ausbeutung nicht beteiligen und faire Löhne zahlen. Die Einkommensschere geht immer weiter auseinander, mit rasant wachsenden Spitzengehältern und Kapitaleinkünften und stagnierenden Löhnen für die Mehrzahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Unsicherheiten nehmen zu: Durch befristete und außertarifliche Arbeit, durch Leiharbeit und geringfügige Beschäftigung nimmt der Bereich der prekären Arbeit ohne gesicherte Perspektive immer mehr zu.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten orientieren uns am Leitbild der guten Arbeit. Wir wollen sittenwidrige Löhne verbieten. Wir setzen uns für Mindestlöhne ein. Menschen, die vollzeit arbeiten, müssen von ihrem Lohn auch menschenwürdig leben können. Deshalb haben wir die Kampagne "Politik für gute Arbeit – Deutschland braucht Mindestlöhne" gestartet. Die Gewerkschaften unterstützen unseren Aufruf für Mindestlöhne. Darüber hinaus befürworten wir einen gerechten Anteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Produktivitätswachstum durch angemessene Lohnsteigerungen. Wir wollen zusätzlich die Beteiligung der Belegschaften am Unternehmenskapital ausbauen. In einer flexibler werdenden Arbeitswelt wollen wir neue Sicherheiten für die Menschen, damit Übergänge und Brüche im Beruf nicht zum sozialen Absturz führen. Wir wollen die Gleichstellung von Frauen in der Arbeitswelt und mehr Chancen für Ältere. Der gesetzliche Kündigungsschutz, die Mitbestimmung im Betrieb, Tarifautonomie und Streikrecht der Gewerkschaften sind unverzichtbare Bestandteile der sozialen Marktwirtschaft. Dafür kämpfen wir mit all denen, die in unserer Gesellschaft soziale Gerechtigkeit verwirklichen wollen.

Kurt Beck
SPD-Parteivorsitzender
Vorsitzender der SPD Rheinland-Pfalz
Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz

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