Ich grüße Sie herzlich – auch im Namen von Rat und Verwaltung der Stadt DN und beginne mein Grußwort mit einer Frage.
Erinnern sie sich noch an das Jahr 1984? Wenn Sie mal kurz nachdenken fällt Ihnen bestimmt etwas ein. Ich verbinde jedenfalls damit 2 Ereignisse, zum einen die Geburt unserer Tochter – wofür ich sehr dankbar bin – zum anderen entschied damals der Rat der Stadt Düren, die Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten auszuschreiben. Das war schon sensationell. Waren wir doch damit die erste Kommune überhaupt in NRW, die sich für eine solche Stelle entschieden hatte.
Sie können sich vielleicht ein Bild davon machen, wie das Thema im Stadttrat zunächst diskutiert und angegangen wurde. Einige waren dafür, andere dagegen. Aber von denen die dagegen waren, wollte es auch niemand so richtig zugeben.
Vieles hat sich seitdem in den Köpfen verändert. Vieles liegt aber noch vor uns. Ganz wichtig war damals wie heute die gute Vernetzung und die parteiübergreifende Solidarität der Frauen. Daraus entstand u. a. das Dürener Frauenforum, das mit dem Frauenbüro gemeinsam viele Veranstaltungen ins Leben gerufen hat, so auch die Veranstaltung zum internationalen Frauentag.
Gerne erinnern wir uns hier an Gila Knorr, die der Stelle Konturen gab und mit Leben erfüllte.
Wo stehen wir heute, liebe Frauen?
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mehr denn je gefordert sind, unsere Rechte auf Gleichstellung und Selbstbestimmung lautstark zu verteidigen.
Denn Gewalt und Ausbeutung von Frauen und Mädchen, Anfeindungen und permanente Schlechterstellung von Frauen sind keine Themen von gestern. Auch offener Sexismus ist wieder normaler geworden, überall, in unseren politischen und gesellschaftlichen Diskursen.
Wenn z.B. ein Mann, der sexuelle Übergriffe auf Frauen offen verherrlicht, sogar Präsident der Supermacht USA werden kann, liebe Frauen, dann läuft etwas ganz grundschief in unserer Gesellschaft.
Ich frage mich wirklich: Wo bleibt der Respekt vor Frauen, wo bleibt der Grundsatz der Unantastbarkeit der Würde des Menschen?
Wir erleben auch heute noch, mehr als 100 Jahre nachdem der erste Frauentag gefeiert wurde,
- dass Frauen immer noch nicht den gleichen Lohn für gleiche Arbeit erhalten,
- dass Frauen in Deutschland mit einer Wahrscheinlichkeit von 40 % – psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren,
- dass Frauen Familie und Beruf nach wie vor nur schwer unter einen Hut bekommen.
Es heißt für nicht wenige aber auch, sich selbst unter Druck zu setzen, um sich nach außen hin als Supermutter und Karrierefrau präsentieren zu können.
Und was mich sehr ärgert ist, dass Frauen als zickig und dominant abgestempelt werden, wenn sie sich durchsetzen (übrigens: ein Zustand, den Frauen nur zu oft im politischen Alltag erleben: Männer haben Durchsetzungsvermögen, Frauen sind zickig.
Dennoch, an einem solchen Tag wie heute geht es nicht nur darum, Situationen zu erkennen und sie zu beschreiben, sondern auch darum, etwas dagegen zu tun.
Wehren wir uns gegen strukturelle Diskriminierung in unserem Land.
Solidarisieren wir uns mit anderen Frauen und unterstützen uns gegenseitig.
Fordern wir einfach das ein, was uns zusteht, liebe Frauen, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Die Bemühungen um Gleichstellung können allerdings nicht allein von einer Stelle wahrgenommen werden. Hier geht es vor allem um das Engagement und die Vernetzung von Aktivitäten und Ideen. Und dazu braucht es Frauen, die so sagt man jetzt wohl am besten „ihre Frau stehen“.
Sie liebe Frauen, tun dies in den unterschiedlichen Lebensbereichen. Sie beweisen, dass sie Ämtern und Ehrenämtern gleichermaßen gewachsen sind.
Wir haben – wie zu Beginn meiner Rede bereits gesagt – vieles erreicht, vieles liegt noch vor uns
Am Ziel sind wir erst, wenn wir keine Rollenklischees, keine Gehaltsunterschiede, keine Diskriminierungen, keine gläserne Decke mehr haben.
Am Ziel sind wir erst, wenn Frauen sich nicht mehr zwischen Kindern und Karriere entscheiden müssen und die Schranken für eine echte Gleichstellung auch nicht mehr in unsren Köpfen vorhanden sind.
Frauen müssen aber auch ermutigt und unterstützt werden, um von verinnerlichten Rollenbildern Abstand zu nehmen. Abstand von dem immer nett sein, immer geliebt werden wollen. Respektiert werden, langt schon.
Abstand von ihrer Bescheidenheit, gerade in Gehaltsverhandlungen und einem Selbstverständnis, das nur allzu bereit ist, die Schuld bei sich selbst zu suchen, an der gescheiterten Ehe, den Schwierigkeiten, die Kinder bereiten können und vieles mehr.
In dem Satz: Gute Mädchen kommen in den Himmel – böse kommen überall hin, steckt doch tiefe Lebensweisheit. Keine muss Karriere machen, aber die Frauen möchten das doch bitte selbst entscheiden und sich nicht an der gläsernen Decke stoßen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
dass wir unsere Frau stehen, hat nichts damit zu tun, dass wir die besseren Männer sein wollen. Das brauchen wir auch nicht! Denn es gibt sie, die überzeugenden und starken weiblichen Persönlichkeiten – in unserem Land – in unserer Stadt.
Liebe Frau van Essen, Ihnen möchte ich danken für Ihren Einsatz und ihre Initiativen, die dazu beitragen, unsere Gesellschaft ein Stück gerechter zu gestalten. Die Herausforderungen sind groß, beispielsweise die Fragen zum demografischen Wandel, zur Veränderung der Erwerbsarbeit, zur wachsenden Armut von Frauen im Alter und auch zur Integration von Frauen mit ausländischer Herkunft.
Für diese Aufgabe wünschen wir Ihnen viel Kraft und Durchsetzungsvermögen.
Ihnen allen wünsche ich einen schönen Abend mit vielen interessanten Begegnungen.