Birkesdorf/Düren. 94,6 Prozent. Liesel Koschorreck riss die Arme in die Höhe, klatschte in die Hände, erleichterter Jubel. Die Anspannung in ihrem Gesicht wich in Sekundenbruchteilen dem strahlenden Siegerlächeln, das sie am liebsten auch am Abend der Bürgermeisterwahl am 13. September aufsetzen würde. Nur vier der 112 Mitglieder von SPD, FDP, Grünen und der Linken hatten am Mittwochabend bei einer Stehparty in der Birkesdorfer Festhalle gegen ihre Nominierung als gemeinsame Bürgermeisterkandidatin der Ampel-Koalition im Stadtrat gestimmt, zwei enthielten sich der Stimme.
Mit einer derart großen Zustimmung hatte die 63-Jährige im Vorfeld nicht gerechnet. Anfang Januar hatte die Herausforderin von Amtsinhaber Paul Larue (CDU) bei ihrer ersten offiziellen Kür in Reihen der SPD nur gut 84 Prozent erhalten. Vom in CDU-Kreisen erhofften Unmut einzelner Mitglieder über die Arbeit der vier doch ungewöhnlichen Partner in den vergangenen Monaten war bei der Nominierung aber nichts zu spüren. Das Signal war eindeutig: Die Ampel-Parteien stehen geschlossen hinter Liesel Koschorreck, die nun als gemeinsame Kandidatin von SPD, FDP, Grünen und Linke auf dem Wahlzettel am 13. September stehen wird. Nur aus diesem Grund war die neuerliche Nominierungsversammlung notwendig geworden.
Der SPD-Kreisvorsitzende und Bundesschatzmeister Dietmar Nietan hatte zuvor bei seiner Begrüßungsrede von einem Abend mit großer Symbolwirkung gesprochen, von einem Signal für die Bürgermeisterwahl war die Rede, das von Birkesdorf ausgehen solle, einmalig für Düren, einmalig in Deutschland, wie der SPD-Fraktionsvorsitzende Henner Schmidt mit Blick auf die bunte Koalition betonte. Seine Kollegin Verena Schloemer von den Grünen sprach sogar von einem historischen Datum. Dass diesem historischen Ereignis trotz Freibier und kostenlosem Grillen nicht mal jeder fünfte der rund 780 Mitglieder der vier Parteien beiwohnen wollte, blieb nicht mehr als eine Randnotiz an einem Abend, an dem sich die Koalitionäre feiern durften. Und besser war die Mobilisierungsquote im Übrigen auch bei der Nominierungsversammlung der CDU vor Wochen nicht.
Liesel Koschorreck hatte vor der Wahl eine ungewohnt kämpferische Rede gehalten. Sie habe Respekt, aber keine Angst vor dem Bürgermeisteramt und sprach von einer großen Ehre, aber auch Verantwortung, von gleich vier Parteien ins Rennen geschickt zu werden. Das ist eine Riesenchance für einen Wechsel an der Verwaltungsspitze dieser Stadt, rief die 63-jährige, frühere Landtagsabgeordnete den Parteimitgliedern zu: Es geht um mehr Leidenschaft für Düren.
Inhaltlich ging die Birkesdorferin nur auf ein paar wenige, bereits bekannte Punkte ihres Wahlprogramms ein. Sie wolle die aus Sicht der Ampel in den vergangenen Jahren vernachlässigte Wirtschaftsförderung zur Chefinnensache machen, sich für mehr Ganztagesplätze in den Grundschulen einsetzen, den ÖPNV stärken und sie spricht sich für eine geordnete Stadtentwicklung aus. Auf ein Thema ging sie besonders ein: die Umgestaltung des Kaiserplatzes. Wir wollen, dass Kaiserplatz und Marktplatz die zentralen Veranstaltungsflächen der Stadt bleiben. Anderslautende Behauptungen der CDU seien schlichtweg falsch. Die Feste sind nicht gefährdet. Allerdings verdeutlichte Liesel Koschorreck auch, dass die Aufenthaltsqualität auf dem Kaiserplatz das ganze Jahr über stimmen müsse. Wie der Spagat gelingen wird, ließ sie offen, verwies stattdessen auf den auch im Masterplan vorgesehenen Ideenwettbewerb zur Kaiserplatz-Umgestaltung.